Es ist 10.45 Uhr. Andreas L. leitet den Sinkflug ein und beschleunigt. Rapide verliert das Flugzeug an Höhenmetern – von jetzt an 1000 pro Minute. Am Ende wird der Airbus A320 an einer Bergwand in den französischen Alpen zerschellen – heute, vor einem Jahr.
Acht Minuten dauert es, bis das Unfassbare geschieht. Das Aufzeichnungsgerät gibt ruhige Atemzüge wieder. Als die Besatzung registriert, dass die Maschine abzustürzen droht, bricht Panik aus. Schläge gegen die Tür des Cockpits sind zu hören; offenbar versucht die Crew, die Tür aufzubrechen, aber der Copilot Andreas L. hat sie von innen verriegelt.
»Der Amokpilot«, so lautete die BILD-Schlagzeile am übernächsten Tag. Warum riss Andreas L. 149 Menschen – die Hälfte davon Deutsche – mit sich in den Tod? Die Medien überschlagen sich vor Erklärungsversuchen. Werden Piloten vielleicht nicht sorgfältig genug geprüft? Warum stehen sie nicht unter ständiger psychologischer Kontrolle? Andreas L. war wegen einer Depression in Behandlung. Warum konnte er alleine im Cockpit sitzen?
Wenn ein solches Drama passiert ist, schreien alle nach Konsequenzen, damit sich so etwas nicht wiederholt. Doch bei allen Versuchen, den Menschen besser zu überprüfen und auszubilden, wir werden ihn nicht ändern können. Was ist der Mensch? Ein Rätsel. »Das Innere eines jeden und sein Herz ist unergründlich« (Psalm 64,7). So beschäftigen wir uns eben mit den Sicherheitsregeln, mit psychologischen Tests, mit Vorschriften, die wir ändern können, und lenken ab von dem Ungeheuerlichen, was in den Menschen verborgen liegt und manchmal zum Vorschein kommt: die Fähigkeit eines Mannes, der ruhig atmet, während er mit den Passagieren, für die er verantwortlich ist, gegen eine Felswand fliegt. Markus Wäsch