Gestern vor einem Jahr ist der CDU-Politiker Norbert Blüm gestorben, der 16 Jahre durchgehend Bundesarbeitsminister war und eine lange politische Karriere absolvierte. In den Nachrufen über ihn tauchten immer wieder Beschreibungen wie »volksnah«, »authentisch«, »rheinisch-lebensfroh«, »streitbar« oder »ein Original« auf. Einige Politiker und Journalisten betonten, dass Blüm »kein bloßer Berufspolitiker« gewesen sei, sondern aus Leidenschaft und Überzeugung gehandelt habe. Solche Ehrungen legen nahe, dass viele Menschen sich nach einer gewissen Natürlichkeit sehnen. Allzu häufig wirken Politiker, Pastoren, Würdenträger und andere Menschen in Ämtern so professionell, dass sie als distanziert und unnahbar wahrgenommen werden.
Wie war das bei Jesus, der »Schlüsselfigur« des christlichen Glaubens? Einerseits war Jesus »professionell« in dem Sinne, dass er wusste, was er tat. Andererseits jedoch war Jesus leidenschaftlich und menschennah. Kein Protokoll und keine professionelle Distanz hielten ihn davon ab, Brandreden gegen Heuchelei zu halten, intensive Gespräche mit den Außenstehenden der Gesellschaft zu führen und dabei auch unter vier Augen den Finger in den wunden Punkt zu legen. Wer die Evangelien, die Berichte über das Leben von Jesus, liest, bekommt bei Jesus den Eindruck eines Menschen, der aus voller Überzeugung, vorbehaltloser Liebe und ganzer Entschiedenheit gehandelt hat. Zwar war er übernatürlichen Ursprungs, aber auf Erden bewies er eine »Natürlichkeit«, indem er sich nie zu verstellen oder profilieren versuchte.
Wer nah an dem Herzen Jesu lebt und »in ihm« bleibt, kann seine gottgegebene Natürlichkeit entdecken und Mut entwickeln, »eine Persönlichkeit zu sein« und für Überzeugungen einzustehen. Sebastian Lüling