Dass wir hier das letzte Gebot der ersten Tafel vor uns haben, wird manchen verwundern. Geht es hier nicht um rein menschliche Beziehungen? Gehört dieses Gebot nicht deshalb auf die zweite Tafel? Aber ganz davon abgesehen, dass Gott das Thema der Gottesbeziehung sicherlich nicht sparsamer ausgestattet hat als das des Verhältnisses zum Mitmenschen, sollten wir beachten, dass es auch bei diesem Gebot um unser Verhalten gegenüber Gott geht.
Denn wer seine Eltern achtet, ehrt Gott, hat Gott doch sie nach seinem Willen an der Erschaffung neuen Lebens beteiligt und sie an seiner statt für das junge Leben als Autorität eingesetzt, wie denn überhaupt von Gott »jede Vaterschaft in dem Himmel und auf Erden benannt wird« (Epheser 3,15). Dies verleiht dem fünften Gebot seine hohe, gottbezogene Qualität, das als einziges mit göttlicher Zusage für eine segensreiche Zukunft verbunden ist.
Es ist kein spezielles Gebot für Kinder, um sie zum Gehorsam anzuhalten. Die »Zehn Gebote« richten sich an Erwachsene, mag es auch schon für Jugendliche heilsam sein, wenn sie es bei allem Widerspruchsgeist nicht an der notwendigen Achtung gegenüber den Eltern fehlen lassen. Aber gerade der in familiäre und berufliche Verpflichtungen eingebundene Mensch sollte nie vergessen, dass respektvoller Umgang und später auch liebevolle Fürsorge für alte, schwache und kranke Eltern die Wahrung des fünften Gebotes bedeutet. Gott auf diese Weise auch in den Eltern zu ehren, ist die Grundlage für die soziale Wärme des Generationenvertrages und in jedem Einzelfall die gesunde Urzelle eines Volkes. Gerhard Jordy