»Warum siehst du seit Tagen so trübselig aus?«, wurde ein Bauer von seinem Nachbarn gefragt. »Dir kann ich es ja sagen. Ich habe so ein schlechtes Gewissen, weil ich eine Kette geklaut habe.« - »Na«, meinte der freundliche Nachbar, »da gibt's doch nur eins: bring die Kette gleich zurück, und alles ist wieder gut!« Nach einiger Zeit trafen sich die beiden wieder. »Du siehst ja immer noch so kläglich aus!«, rief der Nachbar erstaunt, als er in das trübe Gesicht blickte. »Hast du die Kette nicht zurückgebracht?« - »Doch, wohl, aber es will nichts helfen.« Dann schwieg er lange Zeit. Endlich raunte er dem Nachbarn ins Ohr: »Es hing noch eine Kuh daran!«
Wir wollen gern so manche Sachen in Ordnung bringen, scheuen uns aber, die ganze Wahrheit zuzugeben, weil sie uns in ein zu schlechtes Licht rücken würde, oder weil wir die Sache selbst nicht herausgeben wollen. Dann wird es mit dem guten Gewissen nichts. Gott lässt sich nicht mit Halbwahrheiten abspeisen, und unser Gewissen spürt das sehr deutlich, wenn es noch richtig funktioniert. Wer nämlich Unrecht tun kann, ohne dass es ihn belastet, der ist nicht etwa »fein raus«, sondern steckt ganz schön tief drin. Oder ich sollte besser sagen, er ist ganz furchtbar arm dran. Denn was kann ihn nun noch aufhalten auf dem Weg, der immer weiter von Gott weg führt und bestimmt in der ewigen Gottesferne endet? Möge Gott uns davor bewahren!
Da ist doch die Erfahrung des Königs David zu empfehlen, wie sie in unserer heutigen Bibellese zu entdecken ist. Und vor Gott zu unserer Schuld zu stehen, sollte nicht schwer fallen, wenn wir bedenken, dass er sowieso alles weit besser kennt als wir selbst.
Hermann Grabe