Heute ist Totensonntag. Den kann man natürlich mit düsteren Betrachtungen über die Vergänglichkeit des Lebens, über verpasste Gelegenheiten und über vergangenes Glück zubringen, während man durch das nasse Laub zum Friedhof stapft, um nachzusehen, ob der Gärtner die Abdeckung des Familiengrabes auch ordentlich gemacht hat. Man könnte sich aber auch einmal der unangenehmen Tatsache stellen, dass man selbst über kurz oder lang dort auf dem Friedhof in der kalten Erde liegen wird. Ja, und dann?
In der Bibel steht, dass wir von Gott abgefallene Geschöpfe sind. Wir haben uns von unserem Schöpfer losgesagt und müssen nun jeden Strohhalm ergreifen, der uns angeboten wird, um den scheußlichen Gedanken loszuwerden, den der obige Bibelvers in schonungsloser Kürze ausdrückt und vor dem uns ganz tief innen graut, sobald wir einmal den Medienrummel um uns zum Schweigen gebracht haben und zum Nachdenken gekommen sind. – Ja, aber ist das denn bewiesene Tatsache?
Nun, wir haben alle ein moralisches Bewusstsein. Selbst die schrecklichsten Tyrannen wollen ihre Taten stets in ein moralisch gutes Licht rücken. Wir empfinden also deutlich, was gerecht, was gut und böse ist und versuchen jetzt schon dauernd, unser Handeln zu rechtfertigen. In dem angedrohten göttlichen Gericht geht es also um nichts anderes, als was wir stets gespürt haben: Alles dreht sich schließlich um die Gerechtigkeit. Und der wird Gott am Ende zum Sieg verhelfen. Wie gut ist es dann, den Fürsprecher auf seiner Seite zu haben, der bei dem höchsten Richter anerkannt ist!
Hermann Grabe