Wenn wir in diesen Tagen die vielen Darstellungen des »Jesuskindes« in der Krippe sehen, empfinden wir vielleicht eine gewisse Zuneigung zu dem niedlichen Kindlein. Vielleicht denken wir daran, wie seine Hände, Füße, sein liebendes Angesicht sich später einmal freundlich den vielen Menschen zuwenden würden. Aber wem ist an diesem »heiligen Abend« bewusst, dass diese zarten Kinderhändchen eines Tages von rohen Soldaten mit Nägeln durchstochen und an einem Kreuzesbalken angeheftet würden? Diese kleinen rundlichen Füßchen würden einmal den schweren Weg zur Folter durch die Peiniger einschlagen und den Weg durch die Gassen Jerusalems hinaus zur Hinrichtungsstätte beschreiten. In sein liebliches Antlitz würde man einmal voller Schadenfreude spucken, und sein zartes Köpfchen würde einmal stillhalten, wenn grausame Männer einen Kranz mit langen und spitzen Dornen darauf drücken und noch mit einem Rohr darauf schlagen. Muss man da nicht entrüstet aufschreien, wenn so etwas geschieht?
Gott, der seinen Sohn so schrecklich sterben ließ, war sich dieses Unrechts, das ihm widerfuhr, ganz sicher noch viel mehr bewusst als wir. Warum griff er dann nicht ein? Ja, warum verhinderte Jesus selbst nicht dieses Unrecht, obwohl er - wie er selbst uns sagt (Matthäus 26,53-54) - durchaus die Macht dazu hatte? Der Grund ist: Nur er als vollkommen sündloser Mensch konnte stellvertretend für unsere Sünden sterben. Nur er konnte das Gericht über die Sünde von uns abwenden, indem er es selbst durchlitt. In einem alten Lied heißt es: »Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe, der gute Hirte leidet für die Schafe; die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte, für seine Knechte.« Siegfried Lambeck