Es waren nur noch wenige Monate bis zum Ruhestand. 42 Jahre hatte er im Polizeidienst verbracht, mehr als zweidrittel seines gesamten Lebens. Was blieb übrig nach so einer langen Zeit? Der Beruf hatte das Leben und den Charakter geprägt. So manche Gefahren wurden überwunden, Menschen in Extremsituationen begegnet, Schicksale und Tragödien hautnah erlebt. In den letzten Jahren spürte er, wie Respektlosigkeit, Lüge und Gewalt mehr und mehr zunahmen. Doch was noch schlimmer war: Trotz all seiner Erfahrungen wurde er immer mehr aus aktuellen Fällen herausgehalten, viele Informationen gingen an ihm vorbei – er sei ja sowieso nicht mehr lange dabei. Wo früher sein Rat gefragt war, überging man ihn jetzt. Zu wichtigen Besprechungen wurde er nicht mehr eingeladen. Das kratzte ganz gehörig an seinem Selbstwertgefühl.
Vielen Menschen kurz vor der Rente mag es so ergehen. Da hat man sich ein Leben lang für seine Firma eingesetzt, ist reich an vielen Erfahrungen und wird dann überflüssig. Man hat ausgedient. Was bleibt, ist ein reiches Leben, das niemand im alten Arbeitsumfeld mehr interessiert. Unser Wert hängt eben nicht von den Ergebnissen unserer Arbeit ab oder davon, wie gefüllt unser Bankkonto oder wie schön unser Anwesen ist. Lebenserfahrung studiert man nicht an der Uni. Um seiner selbst willen geliebt zu werden, kann man mit Geld nicht bezahlen. Daher mahnt der Tagesvers, frühzeitig seines Schöpfers zu gedenken. Gott hat Pläne mit unserem Leben, zu denen die Jugendzeit genauso gehört wie das Alter, das vielleicht beschwerlich und einsam wird. Die Bibel erzählt wunderbare Geschichten von älteren Menschen, die für Generationen von Jüngeren sehr prägend waren. Schön, wenn unser Lebensabend diesen Sinn erfüllt. Peter Lüling