In den Anfängen der SAT-1-Serie »Millionenspiel« sollten Kandidaten die vier Begriffe »Reich – Himmel – Vater – Wille« aus den ersten Bitten des »Vaterunser« in die richtige Reihenfolge bringen. Sie scheiterten alle. Jedenfalls ging diese Nachricht damals durch die Zeitungen. Und man brachte auch einiges an Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass die Kandidaten nicht einmal mehr imstande gewesen seien, die ersten Bitten des »Vaterunsers« auswendig zu wissen. Nun kann man an dieser Kleinigkeit zwar ablesen, wie radikal das, was an so genannten christlich-abendländischen Traditionen unsere Welt bis heute geprägt hat, im Schwinden begriffen ist. Aber zum Wesen von Traditionen gehört es nun einmal auch, dass ihr Einfluss sich allmählich abschwächt und schließlich ganz verflüchtigt.
Wenn es denn solche Traditionen wären, könnte man mit einem Achselzucken darüber zur Tagesordnung übergehen. Vielleicht steckt aber in dem offensichtlichen Stutzen der Öffentlichkeit doch noch etwas anderes. Ist es vielleicht ein Bewusstwerden der eigenen »Gott-Losigkeit«, die hier erkennbar geworden ist? Ist den Menschen von heute in einem solchen kleinen Ereignis die eigene Gottferne deutlich geworden? Der Ort in den Herzen und Köpfen, wo es früher noch eine gewisse Gottesvorstellung gab, wird auf einmal als leer erkannt. Aber könnte nicht genau das der Beginn einer guten Geschichte werden? Könnte nicht gerade ein Mensch, der merkt, dass er ohne Gott ist, zu jemandem werden, der nach Gott sucht? Und Gott sagt in seinem Wort, dass er sich finden lassen will von denen, die ernsthaft nach ihm suchen, noch mehr – er will ihnen ein Vater sein. Karl-Otto Herhaus