In einem königlichen Schloss hängt im Thronsaal genau gegenüber der Eingangstür das riesengroße Bild des Begründers der königlichen Dynastie. Eines Morgens werden wieder Besuchergruppen durch das Schloss geführt, und was sehen sie? In der Nacht haben irgendwelche Feinde des Königs dem berühmten Bild eine lange Nase und Eselsohren angemalt. Alle, die nichts mit der königlichen Familie verbindet, brechen in schallendes Gelächter aus, während alle Freunde des Königs entweder verlegen schweigen oder sehr zornig werden. Ihr Zorn steigert sich noch, wenn der augenblickliche Herrscher den gleichen Namen trägt wie der so sehr geschändete auf dem Bild. Sie wissen, was die Schändung besagen soll.
»Geheiligt werde dein Name!«, ist die erste und wichtigste Bitte des Gebets, das Jesus Christus seine Anhänger lehrte. Darauf kommt es vor allem an, dass der Name des großen Schöpfergottes von seinen Geschöpfen in höchstem Maß geehrt und nicht in den Dreck gezogen und gelästert wird. Wie anders als im Zorn sollte er darauf reagieren?
Was bedeutet es nun genau: »Dein Name werde geheiligt«? Ich denke, wir dürfen den Namen Gottes nicht auf profane, entwürdigende Art missbrauchen, wie man es so oft hört, wenn die Leute zum Beispiel »Oh Gott!« sagen und eigentlich nur meinen: »Oh Schreck!« oder: »Ach, du liebe Zeit!« Gottes Namen heiligen heißt, ihn nicht da zu nennen, wo man in Wirklichkeit gar nicht an ihn denkt. Heiligen heißt, ihn nicht mit dem Alltäglichen zu verbinden.
Dabei will er sehr wohl, dass wir ihn mitten in unserem Alltag anrufen, aber als den, der über allem steht und uns in seiner Heiligkeit aus allen Nöten befreien und erlösen kann.g
Hermann Grabe