»Schad gar nix, dass ich frier. Warum kauft mir meine Mama keine Handschuhe?«, sagte das kleine Mädchen und blies sich in die blau gefrorenen Hände. Wenn uns das Kind nicht so leid täte, möchten wir über seine krause Philosophie lächeln. Aber nicht nur kleine Kinder denken so, sondern auch Erwachsene. Sie meinen, vermeintliche oder auch tatsächliche Übeltäter dadurch strafen zu können, dass sie nichts gegen den angerichteten Schaden unternehmen. Dabei versinken sie immer tiefer in Groll und Selbstmitleid, je deutlicher die angerichtete Not in Erscheinung tritt.
Was kann man in solcher Lage tun? Wie in allen menschlichen Beziehungen kommt es auch hier darauf an, dem anderen zu vergeben. Dann hat man auch solche Art von »Rache« nicht mehr nötig und kann sich, von Hassgedanken befreit, der Schadensbegrenzung zuwenden. Dann erst wird auch der Kopf frei, um über die Verhältnismäßigkeit der Mittel nachzudenken, und oft erkennt man dann, dass viele Schuldzuweisungen völlig zu Unrecht entstanden sind.
So oder so, durch Vergebung wird der Weg zum Nächsten wieder frei, weil alles Hemmende aus dem Weg geräumt wurde. Wie gut haben es da die Leute, die sich an die Vergebung erinnern können, die Gott ihnen gewährt hat. Auch bei den schwersten Beleidigungen oder zugefügten Schäden wissen sie, dass Gott ihnen weit mehr vergeben hat, als sie jemals zu vergeben haben. Das macht das Vergeben leicht. Man braucht nicht mehr selbst für Gerechtigkeit zu sorgen, was meistens zu weiterem Unrecht führt, sondern kann die Sache ruhig dem Gott überlassen, der tatsächlich weiß, wie alles wirklich war, und der uns liebt und alles zu unseren Gunsten ausschlagen lässt.
Hermann Grabe