Vielleicht haben Sie Probleme mit dem obigen Bibelwort. Heute bleiben gesunde Teenager ruhig in der Bahn sitzen, wenn eine alte Frau im Gang steht und sich nur mit Mühe auf den Beinen halten kann.
Wenn wir nicht selbst ein Gewissen hätten, könnte man den Werbestrategen von heute die Schuld daran in die Schuhe schieben. Für sie gibt es ja nur junge, sportliche und hübsche Jugendliche. Die Alten werden ausgeblendet, als gäbe es sie nicht, es sei denn, es geht um spezielle Produkte für die Zielgruppe der alten Menschen, denn ihr Geld ist natürlich auch begehrt.
Gott aber misst mit einem anderen Maßstab. Im Neuen Testament heißen die Alten die »Presbyter«, die Vorrangigen, während die Jüngsten mit demselben Wort bezeichnet werden, das auch für »das Letzte« benutzt wird. So erklärt sich der eigenartige Ausdruck in der Lutherbibel, wo vom »jüngsten Tag« die Rede ist. Wie der Bibeltext sagt, sollen die Jungen die Alten nicht ehren, weil sie besser, tüchtiger oder erfahrener sind – all das kann mit zunehmendem Alter schwinden –, sondern weil sie es sonst mit Gott zu tun bekommen. Alte Leute müssen sich also Respekt und Achtung nicht täglich neu verdienen, sie steht ihnen von Gottes wegen zu. Und einmal werden wir alle alt, falls Gott der Weltgeschichte nicht ein schnelles Ende bereitet, und dann wäre es doch auch gut zu wissen, nur ein Anrecht auf die Wertschätzung zu haben, die man früher selbst den Alten gegenüber gezeigt hat.
Was hätte man zu erwarten, wenn man selbst herz- und gnadenlos mit den jetzt Alten verfahren ist? Gottes Gebote sind gnädige Gebote.
Hermann Grabe