Etliche Male war ich schon im Gefängnis, zum Glück nur als Besucher. Doch vor längerer Zeit las ich von einer Frau, die viele Tage ihres Lebens freiwillig mit Häftlingen verbracht hat: Mathilda Wrede, geboren am 8. März 1863 in Vaasa, Finnland, als jüngste Tochter neben acht weiteren Kindern des Freiherrn Karl Wrede, der auch Vorsteher des Gefängniswesens von Vaasa war. Schon als Kind war Mathilda von dem traurigen Los der Insassen des nahen Gefängnisses berührt. Mit 18 Jahren erlebte sie durch eine Predigt eine Bekehrung zu Jesus Christus. Als sie einem verurteilten Schwerverbrecher von dieser Lebenswende berichtete, bat dieser sie, auch seinen Mitgefangenen davon zu erzählen. Dies nahm Wrede zum Anlass, sich nun intensiv um die Gefangenen zu kümmern. Mit 20 Jahren bekam sie von der finnischen Regierung die Erlaubnis, alle Gefängnisse zu besuchen. Dort von der Liebe Gottes weiterzusagen, widmete sie nun ihr Leben.
Furchtlos ging sie zu den gefährlichsten Verbrechern, fror mit ihnen in den unbeheizten Zellen, kümmerte sich um Entlassene und um Angehörige der Häftlinge. Zu ihrem 23. Geburtstag schenkte ihr Vater ihr ein Haus, das sie als Heim für entlassene Gefangene einrichtete. Sie verzichtete für sich auf allen Luxus, begleitete Häftlingstransporte bis nach Sibirien und setzte sich auch in Russland und England für bessere Haftbedingungen ein. Während der Revolution in Finnland 1917 vermittelte sie zwischen den verfeindeten Truppen und kümmerte sich auch um die vielen russischen Flüchtlinge. Wie vielen sie bis zu ihrem Tode am 25. Dezember 1928 zum Segen geworden ist, weiß Gott allein. Otto Willenbrecht