»Haben Sie etwas verloren?«, fragte ein Passant einen Menschen, der im Lichtkreis einer Straßenlaterne etwas zu suchen schien. »Ja; allerdings nicht hier unter der Laterne, sondern da hinten irgendwo.« »Aber warum suchen Sie denn hier?« »Weil ich da hinten nichts sehen kann.« »Schön blöd!«, könnte man sagen; aber stehen nicht wir alle in der Gefahr, etwas Unangenehmem ausweichen zu wollen, indem wir etwas Angenehmeres, weniger Anstrengendes, minder Peinliches dafür tun wollen? Selbst wenn nicht mehr dabei herauskommt, als bei dem Sucher unter der Laterne?
Wie viel Geld ist schon gestiftet worden, um ein schlechtes Gewissen zu erleichtern; wie viele gute Werke wurden schon getan, weil man das Gebot, Vater und Mutter zu ehren, damit umgehen wollte. Wie oft haben wir mit teuren Geschenken auszugleichen versucht, was wir an Liebe und Zuwendung schuldig geblieben sind. Große Mengen an Taschengeld ersetzen nicht das Zuhören, wenn uns unser Kind sein Leid klagen oder auch nur unsere Nähe genießen möchte. Ein Fernseher im Schlafzimmer ist ein schlechter Ersatz für eine Gute-Nacht-Geschichte oder ein gemeinsames Gebet.
Natürlich weiß der Mann unter der Laterne genauso gut wie wir, dass seine Bemühungen zwecklos sind. Er tröstet sich nur, wie heute so viele, indem er sich in Aktionismus stürzt. Vielleicht hofft er auch, dass sich die Sache irgendwie von selbst erledigt. Wir sollten uns der Angelegenheit stellen, stille werden und auf Gott hören; so wissen wir ganz schnell, was »dran ist«. Und wenn wir dann gehorsam sind, kommt noch manches zurecht, was jetzt unlösbar erscheint.
Hermann Grabe