Eine alte Legende erzählt, wie Gott einen Menschen zurecht brachte, der sich über sein zu schweres Kreuz beklagte. Er führte ihn in ein riesiges Lager, wo alle Kreuze der Menschheit aufbewahrt wurden und sagte: »Hier hast du freie Auswahl; wähle, was dir gefällt!« Der »Kreuzunglückliche« begann zu suchen und sah zuerst ein ganz dünnes Kreuz, was ihm jedoch viel zu lang war. Dann entdeckte er ein ganz kleines Kreuz, doch als er es aufheben wollte, war es schwer wie Blei. Auf der Suche nach dem passenden Kreuz fand er schließlich eins, das ihm gefiel. Als er es aber auf seine Schultern nahm, merkte er, dass es genau dort eine scharfe Spitze hatte, wo es auf seinem Rücken lag.
Als er fast alle Kreuze durchgesehen hatte, erblickte er noch eins, das ziemlich versteckt, ganz hinten in der Ecke lag. Er probierte es und es war nicht zu schwer, nicht zu leicht, nicht zu kantig und wie für ihn geschaffen. Ja, dieses Kreuz wollte er tragen, und als er näher hinschaute, merkte er, dass es genau das Kreuz war, über das er sich beklagt hatte.
Gott weiß am besten, was gut und passend für uns ist; was wir brauchen und was wir aushalten können. Zwar haben wir nicht das Paradies auf Erden, aber Gott hilft beim Tragen.
In einem alten Lied heißt es: »… ein Gott, der Lasten auf uns legt – und uns mit unseren Lasten trägt.« Dann können wir glauben, dass unser »Kreuz« nötig ist, um Gott, die gefallene Welt und uns selbst richtig einschätzen zu lernen. Und wir werden Gott einmal dafür dankbar sein. (Niemals aber dürfen wir meinen, unser Kreuz sei das gleiche wie das Kreuz, an dem der Erlöser hing, oder auch nur ein Teil davon.) Karl-Heinz Gries