Die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS hatte eine komplizierte Außenbord-Reparatur durchzuführen. Seit der schockierenden »Columbia«-Katastrophe war die Mannschaft im Orbit auf nur zwei Astronauten reduziert worden. Das bedeutete: Nur noch ein Kosmonaut steuert die Station, während der andere sich einer riesigen, unkalkulierbaren Gefahr aussetzen muss. Normalerweise ist mindestens ein dritter Mann an Bord, der gegebenfalls dem »Außendienstler« zur Hilfe eilt. Das Manöver war diesmal also deshalb so riskant, weil bei unvorhergesehenen Ereignissen keiner eingreifen konnte.
Eine ähnliche Situation finden wir im Buch Hesekiel: Dort klagt Gott über sein Volk Israel: »Ich suchte einen Mann unter ihnen, der die Mauer zumauern und vor mir in den Riss treten möchte für das Land, aber ich fand keinen« (Hesekiel 22,30). Gott gebraucht hier eine Belagerungssituation als Beispiel: Die Mauer einer angegriffenen Stadt wird mit Rammen, Geschossen und Feuer geschwächt. Da klafft an einer Stelle ein Riss! Die Angreifer werden in Kürze durch diesen Spalt in die Stadt eindringen! Wer springt in die Bresche? Einer muss da raus und es mit den Angreifern aufnehmen. Das Tragische: Unterdessen wird hinter dem Freiwilligen hastig das Schlupfloch zugemauert! Jeder weiß: Damit ist er ausgeliefert, abgeschnitten von der sicheren Stadt - der Rückweg ist verbaut. Auf den Freiwilligen wartet der sichere Tod. Er opfert sich bei seinem Einsatz.
Es gibt einen, der für uns »in den Riss« getreten ist. Einen, der gesagt hat: »Hier bin ich, sende mich!« Jesus hat sich freiwillig gestellt. Sein Rückweg wurde wie »mit Quadersteinen vermauert« (Klagelieder 3,9).
Andreas Fett