Vor einer Weile wurde ich mit einer ungerechten Situation konfrontiert, an der ich nichts ändern konnte. Wieder einmal musste ich feststellen, wie schwer es mir fällt, solche Umstände zu akzeptieren. Und mir dann eingestehen, dass im Leben eben nicht immer die Gerechtigkeit siegt. Um nicht zu sagen: dass die Ungerechtigkeit nur so grassiert.
So wissen manche Menschen nicht, wohin mit dem Geld, während andere nicht wissen, woher sie die Mittel zum Überleben bekommen. Fleiß und Arbeit bringen oft nichts, wenn man dazu nicht »die richtigen Leute« kennt. Und so könnte man noch viele weitere Beispiele nennen. Umso mehr habe ich mich dann über den Tagesvers gefreut. Gott ist ein Gott, der Gerechtigkeit liebt. Zu wissen, dass der Gott, mit dem ich unterwegs bin, ein gerechter Gott ist, der gerecht urteilt, der mich nie übers Ohr haut und der auch das Ungerechte nicht gutheißt, das um mich herum geschieht, finde ich großartig.
Als ich den Gedanken weiterverfolgt habe, wurde mir aber bewusst, dass mir diese Eigenschaft Gottes sehr schnell zum Verhängnis werden kann. Denn auch ich bin nur ein ungerechter Mensch, der oft nach seinen eigenen Wünschen lebt und urteilt und dabei Mitmenschen auf der Strecke bleiben lässt.
Um seiner Liebe zur Gerechtigkeit nachzukommen, hätte ein Ungerechter wie ich sterben müssen. Aber Gott nahm jemand anderes, seinen Sohn, und ließ diesen für uns Menschen – die wir die Welt mit Ungerechtigkeit erfüllen – am Kreuz sterben. Die Strafe zu unserem Frieden und Heil lag auf ihm (vgl. Jesaja 53,5). Und so kann ich weiter froh darüber sein, dass mein Gott gerecht ist. Aber – Gott sei Dank – eben auch voller Gnade. Jonathan Stöbener